Freitag, 24. April 2009

Nationales Forum für Engagement und Partizipation als Schritt zur Etablierung der Zivilgesellschaft

Das Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE) richtet mit Förderung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ein “Nationales Forum für Engagement und Partizipation” ein. Ziel des Forums ist es laut Selbstaussage des Bundesnetzwerks, “gemeinsam mit kompetenten Vertreterinnen und Vertretern aus Zivilgesellschaft, Politik, Wirtschaft und Wissenschaft den Prozess der Entwicklung der Engagementförderung inhaltlich weiterzuentwickeln und nachhaltig zu stärken” (BBE).    

Dies ist ein wichtiger Schritt zur Verstetigung des bürgerschaftlichen Engagements, das mittlerweile eine wichtige gesellschaftliche Funktion hat.

Von der Zivil- oder Bürgergesellschaft wird viel erwartet. Zwar haben Bode, Evers & Klein festgestellt, dass noch immer “Welten zwischen Zukunftsvision und Alltagsrealität, zwischen konzeptionellen Entwürfen und sozialwissenschaftlicher Reflektion, zwischen der reformpolitischen Agenda und den Handlungsbedingungen der Initiativen und Organisationen vor Ort” (2009: 7) liegen, doch kommt jetzt möglicherweise Drive  in die Partizipationsdiskussion. Mit dem ersten Fachkongress des nationalen Forums für Engagement und Partizipation werden schon zum Start Akzente in zahlreichen Feldern gesetzt. In den Räumen des Deutschen Bundestags diskutieren 250 Experten aus dem Bereich Partizipation / Zivilgesellschaft / Engagementpolitik in folgenden zehn Dialogforen:

  • DF 1: Infrastruktur: Engagementangebote und Engagementförderung in Bund, Ländern und Kommunen
  • DF 2: Rechtliche und finanzielle Rahmenbedingungen
  • DF 3: Soziale, ökonomische und kulturelle Bedingungsfaktoren für bürgerschaftliches Engagement und gesellschaftlichen Zusammenhalt
  • DF 4: Engagement in der demokratischen Gesellschaft – Engagement als Partizipation
  • DF 5: Engagementförderung durch Unternehmen
  • DF 6: Bildungspolitik und Engagementförderung
  • DF 7: Qualifizierung und Organisationsentwicklung für Engagierte und Hauptamtliche
  • DF 8: Engagementforschung und Politikberatung
  • DF 9: Bürgerschaftliches Engagement und Partizipation in Europa
  • DF 10: Integration durch Bürgerschaftliches Engagement.

Damit wird ein umfassender Überblick über soziale, gesellschaftliche, ökonomische und kulturelle Bedingungsfaktoren angestrebt, der in die nationale Engagementpolitik der Bundesregierung einfließen soll.

Die Partizipationsexperten haben sich ein inzwischen schier unüberschaubares Themenfeld vorgenommen. Es reicht von Entwicklungstrends neuer Engagementfelder (etwa: Pflege, Hospiz, Ernährung/Verbraucher) über die Zusammenarbeit von Freiwilligenagenturen, Seniorenbüros, Selbsthilfekontaktstellen, Bürgerstiftungen, Stabsstellen über Fragen der Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit über Gemeinnützigkeitsfragen, Haftungsbegrenzungen, finanzielle Fördermöglichkeiten  bis hin zum nicht immer einfachen Verhältnis zwischen Erwerbsarbeit und Engagement. Auch Geschlechterfragen sind nicht uninteressant. So hat Hiltrud Naßmacher die Gefahr beschrieben, dass Frauen in den ehrenamtlichen oder zivilgesellschaftlichen Bereich abgedrängt werden, während in den nach wie vor bedeutsamen Institutionen weiter Männer das Sagen haben.  

Auch der demographische Wandel ist ein wichtiges Thema im Zusammenhang mit bürgerschaftlichem Engagement.

Und schließlich ist zu fragen, ob G 8 an den Schulen, der Bologna-Prozess an Hochschulen und steigende Mobilitätsanforderungen an die Arbeitnehmer nicht zu einer gefährlichen Erosion des Ehrenamts führen, weil die Ehrenamtlichen gar keine Zeit mehr haben, wie dies Wolfgang Fach für den Bereich der Politik sehr kritisch beschrieben hat.

Literatur- Auswahl:

http://www.b-b-e.de/fileadmin/inhalte/aktuelles/2009/03/NF_engagementpolitische_dialogforen.pdf

Bode, Ingo / Evers Adalbert / Klein, Ansgar (Hrsg.)(2009): Bürgergesellschaft als Projekt. Eine Bestandsaufnahme zu Entwicklung und Förderung zivilgesellschaftlicher Potenziale in Deutschland. Wiesbaden. Verlag für Sozialwissenschaften.

Fach, Wolfgang (2008): Mitwirkung als Mythos und Maschine. In: Bröchler, Stephan/ Lauth, Hans-Joachim (hrsg.): Politikwissenschafltiche Perspektiven. Wiesbaden: VS. S. 57-67.

König, Armin (2009): Die Bürgergemeinde: Renaissance einer guten Idee. In: innovative verwaltung. Bd. 31, 1-2/2009. S. 18-19.

Naßmacher, Hiltrud (2006): Baustelle Stadt. Effizienz und Bürgernähe ohne Demokratie und Nachhaltigkeit? Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Zimmer, Annette (2009): Bürgerschaftliches Engagement – Thema von Lehre und Forschung ? In: Bode, Ingo / Evers Adalbert / Klein, Ansgar (Hrsg.): Bürgergesellschaft als Projekt. Eine Bestandsaufnahme zu Entwicklung und Förderung zivilgesellschaftlicher Potenziale in Deutschland. Wiesbaden. Verlag für Sozialwissenschaften. S. 80-100.

     


(c) Armin König 2009

Dienstag, 21. April 2009

Bürgergesellschaft als Zukunftsmodell?

Embacher, Serge / Lang, Susanne (2008): Lern- und Arbeitsbuch Bürgergesellschaft. Eine Einführung in zentrale bürgergesellschaftliche Gegenwarts- und Zukunftsfragen. Bonn: Dietz.

Ist es realistisch, dass eine sich emanzipierende Bürgerschaft so viel Verantwortung übernimmt, dass die öffentliche Hand entlastet und die Gesellschaft gestärkt wird? Ist dies nur eine Alibifunktion oder eine echte Möglichkeit, durch Transparenz, Partizipation und Engagement die Zukunft der Demokratie zu verbessern? Die Hoffnungen, die auf die „Bürgergesellschaft“ gerichtet sind, sind enorm. Dabei gibt es Chancen und Risiken. Serge Embacher und Susanne Lang sehen die Bürgergesellschaft als „eine historische Chance“ für Formen der „praktischen Selbstorganisation und Selbstbestimmung einer emanzipierten Bürgerschaft“ (10). Embacher und Lang unterscheiden zwischen der liberalen und der solidarischen Bürgergesellschaft. Solidarität hat gerade in Zeiten der Krise große Bedeutung. Ob dies allerdings gelingt, lassen die Autoren offen. Dies könne „nicht in Büchern entschieden werden“ (370), sondern hänge vom praktischen bürgerschaftlichen Engagement in der örtlichen Situation ab. Das gut aufgebaute Buch gibt einen hervorragenden Überblick über die aktuellen Diskussion zur Bürgergesellschaft und schlägt einen Bogen vom Ehrenamt über die „unzivile Zivilgesellschaft“ bis hin zum Kommunitarismus und zur die Verantwortung von Unternehmen in der Bürgergesellschaft (Corporate Citizenship). Alle wichtigen Vertreter der Bürgergesellschaft und des Kommunitarismus von John Rawls über Michael Walzer, Charles Taylor und Amitai Etzioni werden schlüssig beschrieben und in ihrer Bedeutung dargestellt. Demnach wird „die Bürgergesellschaft zu einem zentralen Bezugspunkt für soziale Gerechtigkeit“ (163). Embacher und Lang gehen von der „Vision eine Neuen Gesellschaftsvertrages“ (13) aus, dessen „reales Fundament die Bürgergesellschaft bildet“ (13). Sie gilt als wichtiger Baustein des „Projekts Aufklärung“ im Sinne Immanuel Kants. Das Fazit der Autoren ist normativ geprägt. „Eine lebenswerte Gesellschaft für alle kann nur entstehen, wenn alle ihre eigenen Vorstellungen, Bedürfnisse und Interessen aktiv einbringen und sich in diesem Sinne in die eigenen Angelegenheiten einmischen“ (15).
 
 
© Armin König  2009